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Meine Hände schweben über der Tastatur, als ob sie nicht wüssten, was sie schreiben sollen. In mir tobt ein erbitterter Kampf; mein Herz flüstert, dass ich ihn endlich, endlich fragen soll, warum er mich zurück geküsst hat letztes Jahr - ob es war, weil ich sowieso gefahren bin oder ob er vielleicht doch irgendwo den Hauch von Gefühlen für mich hatte. Gleichzeitig sagt mir mein Verstand laut und deutlich, dass es besser ist, nichts zu wissen, nicht mehr drüber nachzudenken und gefälligst nie wieder dieses Thema anzuschneiden. Schließlich frage ich ihn, weil ich nicht anders kann, denn Herz geht über Verstand, jedenfalls bei mir.

Mal wieder dauert es ewig, bis er antwortet, weswegen ich tagelang fast nur am PC sitze und darauf warte, dass er schreibt. Und eines Morgens logge ich mich ein, öffne mein Postfach und da ist sie: eine Nachricht von Felix.
'Ich hab damals nicht über die Zukunft nachgedacht, wir hatten eine schöne Zeit, es hat sich gut angefühlt. Tut mir Leid, dass wir uns das Wochenende, an dem du hier warst, nicht gesehen haben. Ich dachte, ich wäre bei dir eh unten durch gewesen. Es war für mich nicht nur ein Kuss, du bist mir ganz lange nicht mehr aus dem Kopf gegangen.'
Es fühlt sich an, als wäre mein Herz stehen geblieben. Ich habe einen Kloß im Hals, Tränen in den Augen. Mein Herz tut weh. Ist es immer noch gebrochen?
Plötzlich habe ich auf nichts mehr Lust. Ich will nicht Lea anrufen, um die Nachricht mit ihr zu analysieren; ich will die sms von Michi nicht öffnen, weil mich spätestens dann ein sehr schlechtes Gewissen einholen wird; ich will einfach nur noch da sitzen und mich so verwirrt und traurig und glücklich zugleich fühlen. Wieso hat er mir das ein Jahr lang verschwiegen? Warum hat er nie gesagt, dass es was hätte werden können, vielleicht sogar trotz der Entfernung? Warum hab ich nicht schon vor einem Jahr nachgefragt, was der Kuss zu bedeuten hatte? Heißt das, es könnte noch klappen?
Aber es erklärt so viel. Es erklärt, warum wir so wenig Kontakt hatten, denn er ist immer davon ausgegangen, eine verlorene Schlacht zu kämpfen. Es erklärt, warum er sich so gefreut hätte, mich im August nochmal zu sehen und auch, warum er im Frühjahr auf der Party den Blick nicht abwenden konnte.
Wir schreiben eine Weile hin und her, dann schreibt er, dass er mich gerne sehen würde, sobald er wieder in Deutschland ist. Also im April. Ich zögere, denn was ist mit Michi? Ich führe eine glückliche Beziehung mit einem tollen Kerl. Ich habe alles, was man sich nur wünschen kann, und urplötzlich scheint es, als fehlt jemand. Felix, dessen Name Glück verspricht und der plötzlich alles wieder gut zu machen scheint. Mein Verstand sagt mir, dass es egal ist, dass Felix ein Arschloch ist und sich nichts geändert hat. Dass Michi der richtige ist, dass ich so glücklich war, bevor Felix wieder geschrieben hat, dass ich endlich lernen muss, Felix zu vergessen. Aber mein Herz flüstert so leise, dass ich es kaum verstehen kann, dass Felix trotz seiner Fehler vielleicht nicht der einzige Mann ist, den ich liebe, aber der, den ich am meisten liebe; dass das Glück von Michi und mir nichts im Vergleich zu dem ist, was ich mit Felix fühlen könnte und dass man jemanden, den man liebt, nicht vergessen kann, so lange da noch der Funken einer Hoffnung ist.

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