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"Haaaseeeee", schreibe ich Michi in einer - zugegebenermaßen dämlichen - Nachricht. Muss über mich selbst kichern. Wir sind inzwischen eine gefühlte Ewigkeit zusammen, über ein Jahr, und trotzdem verhalte ich mich immer wieder wie ein kleiner Teenager.
Mein Handy bimmelt, offensichtlich hat er geantwortet. "Oh... du hast mich geweckt..", schreibt er und sofort ist mir die Lust am Kichern vergangen. Hätte er nicht schreiben können, dass er sich total freut, von mir zu hören und sich dafür interessiert, was ich ihm sagen möchte?
Ich werde ein bisschen wütend. Es ist dumm, ich weiß, aber ich hasse es, wenn er so ist. So abweisend. Ich beiße mir auf die Unterlippe und tippe: "Tut mir Leid! Schlaf weiter". 
Es kommt keine Antwort mehr. Offensichtlich ist er einfach wieder eingeschlafen, ohne zu merken, was er mit meiner Laune gemacht hat.


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"Ich liebe dich." Diese Worte kommen aus meinem Herzen und sie sind wahr. So wahr, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass irgendjemand jemals an ihnen zweifeln könnte, schon gar nicht ich selber.
Michi lächelt, er freut sich. Wahrscheinlich weiß er es längst, aber er nimmt mich in den Arm, schaut mir tief in die Augen und erwidert meine Gefühle, indem er sagt: "Ich liebe dich auch." Und in diesem Moment scheint das Glück in mir zu explodieren. Dieser wunderbare Mensch, der hier vor mir steht, ist derjenige, der mich in den Arm nehmen will. Und ich bin das einzige Mädchen, dass ihn auf diese Art in den Arm nehmen darf.
Michi will immer nur das beste für mich; er sorgt für mich, er hört mir zu, er zeigt mir seine Gefühle, wenn er spürt, dass es mal wieder gesagt werden muss, oder vielmehr, dass es mir gut tun würde, es zu hören. Er ist der, der auch mitten in der Nacht zu mir fährt, wenn ich nicht schlafen kann, damit ich gut träume. Er hält mich fest, er kocht mit mir, er lädt mich ins Kino ein. Es ist zu perfekt, um wahr zu sein, und am liebsten würde ich jede einzelne Sekunde mit ihm verbringen, nur um ihm zu zeigen, dass er mir die Welt bedeutet.
Michi tut all das, was Felix nie für mich tun konnte oder nie wollte. Wenn ich es vernünftig betrachte, spricht alles, wirklich alles für Michi. Und wenn ich es mit meinem Herzen betrachte, spricht grade auch alles für Michi - nie wieder würde ich jemanden finden, der so auf einer Wellenlänge ist wie ich und der mir so gut tut. Heute hat Felix mir geschrieben und es war belanglos. Vor drei Wochen hätte ich sofort geantwortet, um das Gespräch in Gang zu halten, und jetzt habe ich immer noch nicht geantwortet und es reizt mich auch kein Stück. Vielleicht ist es so, wie alle gesagt haben: Um Felix wirklich verarbeiten zu können, musste sowas passieren. Und nun ist er hinter mir geblieben wie ein Stück aus einer wunderbar schmerzlichen Vergangenheit, und das ist okay.

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Das Licht wird gedimmt, die raunenden Stimmen der Zuschauer verstummen. Michi greift nach meiner Hand und legt sie in seinen Schoß. Wir sind auf einem Konzert, wo Solisten unserer Umgebung ihre Stücke zum besten geben. Als erstes kommt eine ziemlich schlechte Performance von einem Musicalhit, und obwohl ich tolerant bin, ist sie wirklich so übel, dass ich am liebsten nach Hause gehen würde. Michi und ich grinsen uns versteckt an, scheinbar denkt er das gleiche. Und dann tritt eine kleine Person mit lockigen Haaren auf die Bühne und singt "What if" von Kate Winslet. Ich hab das Lied ewig nicht gehört und den Song nie verstanden, und plötzlich ist es der Song, den ich so verzweifelt gesucht habe, um meine Gefühle für Felix hineinzulegen und zu verarbeiten.
Und ich sitze da, mit Michis Hand in meiner, und höre zu:

"Well I tried
but I had to draw the line
and all these questions keeps on spinning in my mind:
What if I had never let you go?
Would you be the man I used to know?
If I'd stayed,
If you'd tried,
If we could only turn back time?
But I guess,
we'll never know."

Werden wir wirklich nie heraus finden, was aus uns werden kann? Ob wir funktionieren können? Wird es uns ergehen wie Rose und Jack aus Titanic, nur viel weniger dramatisch und vor allem: selbst verschuldet?
Wenn ja, weiß ich nicht, ob ich mit dieser Schuld leben oder sie mir jemals verzeihen kann. 



Ihr Lieben, es tut mir Leid, diese vielen verwirrenden Posts momentan! Ich bin ziemlich im Gefühlschaos, ich weiß, dass ich schon bessere Texte geschrieben hab, aber ich muss das ganze grade einfach mal loswerden...wird wieder besser, versprochen :*

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Meine Hände schweben über der Tastatur, als ob sie nicht wüssten, was sie schreiben sollen. In mir tobt ein erbitterter Kampf; mein Herz flüstert, dass ich ihn endlich, endlich fragen soll, warum er mich zurück geküsst hat letztes Jahr - ob es war, weil ich sowieso gefahren bin oder ob er vielleicht doch irgendwo den Hauch von Gefühlen für mich hatte. Gleichzeitig sagt mir mein Verstand laut und deutlich, dass es besser ist, nichts zu wissen, nicht mehr drüber nachzudenken und gefälligst nie wieder dieses Thema anzuschneiden. Schließlich frage ich ihn, weil ich nicht anders kann, denn Herz geht über Verstand, jedenfalls bei mir.

Mal wieder dauert es ewig, bis er antwortet, weswegen ich tagelang fast nur am PC sitze und darauf warte, dass er schreibt. Und eines Morgens logge ich mich ein, öffne mein Postfach und da ist sie: eine Nachricht von Felix.
'Ich hab damals nicht über die Zukunft nachgedacht, wir hatten eine schöne Zeit, es hat sich gut angefühlt. Tut mir Leid, dass wir uns das Wochenende, an dem du hier warst, nicht gesehen haben. Ich dachte, ich wäre bei dir eh unten durch gewesen. Es war für mich nicht nur ein Kuss, du bist mir ganz lange nicht mehr aus dem Kopf gegangen.'
Es fühlt sich an, als wäre mein Herz stehen geblieben. Ich habe einen Kloß im Hals, Tränen in den Augen. Mein Herz tut weh. Ist es immer noch gebrochen?
Plötzlich habe ich auf nichts mehr Lust. Ich will nicht Lea anrufen, um die Nachricht mit ihr zu analysieren; ich will die sms von Michi nicht öffnen, weil mich spätestens dann ein sehr schlechtes Gewissen einholen wird; ich will einfach nur noch da sitzen und mich so verwirrt und traurig und glücklich zugleich fühlen. Wieso hat er mir das ein Jahr lang verschwiegen? Warum hat er nie gesagt, dass es was hätte werden können, vielleicht sogar trotz der Entfernung? Warum hab ich nicht schon vor einem Jahr nachgefragt, was der Kuss zu bedeuten hatte? Heißt das, es könnte noch klappen?
Aber es erklärt so viel. Es erklärt, warum wir so wenig Kontakt hatten, denn er ist immer davon ausgegangen, eine verlorene Schlacht zu kämpfen. Es erklärt, warum er sich so gefreut hätte, mich im August nochmal zu sehen und auch, warum er im Frühjahr auf der Party den Blick nicht abwenden konnte.
Wir schreiben eine Weile hin und her, dann schreibt er, dass er mich gerne sehen würde, sobald er wieder in Deutschland ist. Also im April. Ich zögere, denn was ist mit Michi? Ich führe eine glückliche Beziehung mit einem tollen Kerl. Ich habe alles, was man sich nur wünschen kann, und urplötzlich scheint es, als fehlt jemand. Felix, dessen Name Glück verspricht und der plötzlich alles wieder gut zu machen scheint. Mein Verstand sagt mir, dass es egal ist, dass Felix ein Arschloch ist und sich nichts geändert hat. Dass Michi der richtige ist, dass ich so glücklich war, bevor Felix wieder geschrieben hat, dass ich endlich lernen muss, Felix zu vergessen. Aber mein Herz flüstert so leise, dass ich es kaum verstehen kann, dass Felix trotz seiner Fehler vielleicht nicht der einzige Mann ist, den ich liebe, aber der, den ich am meisten liebe; dass das Glück von Michi und mir nichts im Vergleich zu dem ist, was ich mit Felix fühlen könnte und dass man jemanden, den man liebt, nicht vergessen kann, so lange da noch der Funken einer Hoffnung ist.

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Mein Computer gibt einen etwas merkwürdigen, ploppenden Laut von sich und ich schrecke auf. Ich bin am Zimmer aufräumen und habe den PC nur angemacht, um den Mensaspeiseplan zu checken, weswegen ich erstmal gar nicht verstehe, was das Geräusch zu bedeueten hat. Und dann wird es mir klar, Matti hat mir geschrieben, Matti ist endlich wieder in Deutschland und schreibt mir. Sofort lasse ich die dreckigen Klamotten in meiner Hand fallen und lasse mich auf meinem Schreibtischstuhl nieder.
Ein Lächeln stielt sich auf meine Lippen, während wir schreiben und schreiben und schreiben. Ab und zu lache ich laut auf, weil Matti einfach so witzig ist, dann wieder bin ich fast am Weinen, weil er mir so fehlt und wir uns erst nächste Woche sehen können. Aber er ist wieder da, ich kann ihm soviele sms schreiben, wie ich will, und er wird antworten. Ich kann ihn anrufen, wenn ich einen Witz brauche, der mich wirklich zum Lachen bringt, ich kann wieder mit jemandem über die Halle reden, in die wir beide gehören und die doch so weit weg ist. "Du hast mir gefehlt", schreibt er und bringt mich damit so breit zum Grinsen, dass ich plötzlich Angst davor habe, dass es nicht mehr weg geht. Er ist irgendwie so wichtig in meinem Leben, er wird mir nie wieder fremd werden, auch wenn er noch so weit entfernt ist und wir uns monatelang nicht sehen. Er wird für immer da sein, denn alte Freunde bleiben da. Und wenn es nur aus dem Grund ist, dass man in der gleichen Straße gewohnt hat und den gleichen Schulweg gelaufen ist, Tag für Tag für Tag, sie bleiben doch für immer deine Freunde und nichts kann sich dazwischen drängen. Keine Milena, die sein Herz bricht; keine Gefühle, die vielleicht nicht in eine Freundschaft gehören; keine Missverständnisse, keine Streitereien, keine Funkstille. Matti und ich gehören zusammen, vielleicht ist mir das schon immer klar. Und wenn er nicht die Rolle des Liebenden übernimmt, denn die ist besetzt und er will sie sowieso nicht, dann übernimmt er die Rolle des besten Freundes, der auch nach dem Ende noch da ist, der auf Jugendfotos auftaucht, der in den gleichen Diskos getanzt hat und sich an die schlimmste Nacht und den wichtigsten Korb und das beste Spiel erinnert. Matti wird nicht gehen, vielleicht ist mir das schon länger klar. Denn wenn einer für immer bleibt, dann er.